Wurzeln schlagen ohne Boden?
Foto: Conny Poltersdorf

Intensiv beobachtet Ellen Korth die Umgebung anderer Menschen. Sie hat dabei einen eindringlichen Blick, kein Detail entgeht ihr. Diese Begegnungen dokumentiert sie in sieben Fotobüchern, die Teil des Kunstprojektes Charkow sind. Jedes Fotobuch widmet sich einer Person. Wie Matrjoschkas, die russischen Steckpuppen, sind die Bücher aufgebaut. Jedes beginnt mit einem großen Foto, darauf folgt ein kleineres und so weiter. Bis man im Inneren ankommt und eine Person zu Gesicht bekommt.
#photobook: Charkow by Ellen Korth, https://t.co/6Uo3ghkbZl pic.twitter.com/sJiDdEzR4T
— phot(o)lia (@photoliax) 2. Dezember 2016
Heimat im Gewohnten finden
So lernt der Betrachter zum Beispiel Henk, Tine, Peer, Cora, Jan und Gerard kennen. Ihre Häuser und Wohnungen werden dokumentiert, ihre gewöhnliche Umgebung und Dinge, die ihnen wichtig sein. Ob es bunte Plastiksammelfiguren, komplette Porzellanservice oder ihr wilder Garten sind. Im angehängten Text erfährt der neugierige Betrachter persönliches über jeden. Henk, der immer noch im gleichen Haus wohnt, indem er auch geboren ist oder Tine und Peer, die sich ihr eigenes autarkes Paradies abseits der Großstadt geschaffen haben.
Eine Reise zu sich selbst
Auch Ellen Korths Mutter ist Mittelpunkt eines Fotobuchs. Sein Aussehen fällt im Vergleich zu den anderen karger und reduzierter aus. Viel Weißraum ist zu sehen, nur einige alte Fotoaufnahmen geben ein grobes Bild. Das Fehlen der Details lässt auf blinde Flecken schließen. Davon schreibt die Autorin und erklärt, dass ihre Mutter aus der Ukraine stammt. Sie selbst erfährt bis zum Tod ihrer Mutter wenig über deren Herkunft. „Charkow“ – der Titel des Buchs – deutet schon auf den Mittelpunkt des Projekts hin: Es ist die zweitgrößte Stadt der Ukraine.
Künstlerin mit internationalen Wurzeln
Ellen Korth, die an der Hochschule für Gestaltung in Basel studierte, arbeitet schon seit über vier Jahrzehnten als Künstlerin vor allen Dingen in Deutschland und den Niederlanden, aber auch in Italien und Ungarn. Die gebürtige Den Haagerin publiziert seit 2004 Grafikbücher, meist im eigenen Verlag. Mit ihrem Buch „Utilité“ gewann sie mehrere Preise. Unter anderem wurde sie 2013 auf der Leipziger Buchmesse mit der Silbermedaille im Wettbewerb um das beste Designbuch ausgezeichnet.
Den Boden finden, um Wurzeln zu schlagen
Ellen Korth gibt in ihrem Projekt „Charkow“ einen intimen Einblick in ihre persönliche Suche nach Heimat. Sie berichtet von der Schwierigkeit den richtigen Boden zu finden, um Wurzeln zu schlagen. In wenigen Sätzen findet sie Metaphern, die berühren. Durch die Matroschka-Machart der Fotobücher werden die Porträts plastisch, führen in Innerste Winkel der Menschen.
Auf dem Roten Sofa
Auf der Leipziger Buchmesse hat Ellen Korth auf dem Roten Sofa von mephisto 97.6 Platz genommen. Im Interview erzählt sie etwas zu ihrer großen Liebe zu Büchern, ihre Mutter und ein bisschen auch über Politik.
Mit mephisto 97.6 Redakteurin Pia Uffelmann spricht Ellen Korth unter anderem über ihr nächstes Projekt – Unterhosen:
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